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„Von Vietnam weit weit entfernt...
Auf der Hermannstraße in Nord-Neukölln gibt es gefühlt ein Dutzend
Vietnam-Restaurants. Dabei wohnen hier nicht besonders viele Asiaten, aber wahrscheinlich haben viele Anwohner auf Reisen die Küche zwischen Hanoi und Saigon bzw. deren Touri-Variante schätzen gelernt. Unter all diesen Lokalen sticht das Sanhok hervor, denn auf der Karte stehen neben den üblichen Gerichten auch seltenere Spezialitäten sowie hausgemachte frische exotische Limonaden und Tees, und darauf hatte ich Lust.
Das Lokal ist ziemlich klein, im Sommer kann man an ein paar Tischen draußen sitzen, allerdings ist der schmale Bürgersteig mit viel Fußgänger- und Autoverkehr nicht besonders gemütlich. Die Ausstattung ist einfach: Tische und Stühle aus dunklem Vollholz, kaum Deko, ein paar Grünpflanzen. Das schwarze Geschirr aus Keramik und Lack-ähnlichem Plastik sieht recht stylish aus, das Besteck kommt in hübschen Flechtkörbchen auf den Tisch. So weit, so gut.
Die Bestellung wurde rasch aufgenommen, die Speisen ebenso rasch serviert, aber an diesem Sonntagabend um neun war auch nicht viel los. Das Bier kam erst ohne Glas, mein Ingwertee wurde ganz originell in einer großen Glastasse mit Holzlöffel serviert. Der Tee war enttäuschend: lauwarm, fad und mit einem Kaffirlimettenblatt, das längst nicht mehr frisch, sondern braungrün und völlig ausgelaugt war, Honig fehlte ganz.
Die frittierten Frühlingsrollen als Vorspeise waren geschmacklich zwar akzeptabel, jedoch außen völlig vertrocknet, also nicht frisch, zudem ungleichmäßig gebraten. Da sie der Länge nach diagonal halbiert waren, konnte man sie nur schwer tunken und essen. Die Sauce war eine harmonische Mischung mit reichlich Korianderkraut.
Die Hauptspeisen kamen als üppige Portionen - für manche lobenswert, doch beim Hereinkommen bemerkten wir bei allen anderen Gästen, die bereits mit dem Essen fertig waren, viel Übriggebliebenes im Geschirr. Auch uns war es zu viel. Wir wählten zwei der besonderen Gerichte, eine Suppe mit Krebsbrühe und Reisnudeln mit Curry und frittiertem Tempeh.
Eigentlich stammt das Sojabohnenferment Tempeh aus Indonesien, doch ich freute mich, daß in der Veganer-Hochburg Berlin mal was anderes als Tofu und Seitan aufgetischt wird. Vor langer Zeit lernte ich Tempeh auf Reisen kennen und kaufe es gelegentlich im hiesigen Asiamarkt, um das unvergleichlich pilzig-nussige Aroma zu genießen. Bei Sanhok sahen die Stücke in ihrer rötlichbraunen Panade wie Fischstäbchen aus, innen war das Tempeh pampig und schmeckte nur leicht bitter, mehr nicht. Die Nudeln waren zu trocken und klebten aneinander, die dickliche korallrosa Sauce hatte nichts mit einem Curry gemein, kein Kokos, Kurkuma und Co. erkennbar, nur aufdringliches Fruchtaroma.
Die Nudelsuppe war leider noch enttäuschender. Für echte Krebsbrühe hätte ich 13,90 gern gezahlt, nicht aber für eine große Menge mangelhaft gekochter Nudeln mit zwei Stengeln grünem Gemüse, faden Wurstbällchen und sich auflösenden La-Loc-Röllchen in einer nahezu geschmacklosen Brühe. Der Versuch, die Suppe mit Fischsauce zu retten mißlang, da diese eine minderwertige Sojasauce mit einem leicht marinen Touch war, die nur eins machte: salzen. Nicht mal umami kam dabei raus.
So tat ich etwas, das bei mir die absolute Ausnahme ist, ich reklamierte. Der junge Kellner war sehr nett, versuchte die Mängel zu erklären, und ich erhielt ersatzweise ein Curry mit gegrilltem Huhn. Der Teller war ansprechend angerichtet. Der Reis war tadellos, das Curry besser als das erste, aber nicht wirklich gut. Das Gemüse war halbgar, nicht knackig gewokt, einfach nur zu kurz gekocht. Das Fleisch war überwürzt und versalzen als wäre es lange in Suppenwürze eingelegt gewesen, außerdem wie die Vorspeise sehr ungleichmäßig gebraten.
Wirklich schade, gern hätte ich positiver über das Lokal berichtet, aber die Küche blieb zu weit hinter den von der Karte geweckten Erwartungen und authentischer Vietnam-Cuisine zurück. Wer nur einen unkomplizierten Ort zum Treffen mit Freunden und große Portionen fürs Sattwerden auf dem üblichen Asia-Preisniveau sucht, wird hier zufrieden sein. Das Lokal scheint besonders bei den Neuköllner US-Expats beliebt zu sein.
...”weniger